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Wo wir Männer versagen

„Typisch männlich eingepackt“, sagt ein lieber Mensch, als ich ihr das Geschenk in die Hand drücke. Und in dem Moment wusste ich: Ja, diese Zeit des Jahres ist schon wieder da – jene, in der wir Männer wie kleine Kinder vor dem Geschenkpapier sitzen und wissen, dass wir wieder versagen werden. Christos Frau konnte sich glücklich schätzen, weil ihr Mann ein Verpackungs-Genie war – alle anderen Besitzer eines Y-Chromosoms sind jedes Jahr von neuem heillos überfordert.

Die größte Herausforderung ist dabei nicht der Freundeskreis, sondern meine Familie, allen voran meine Mutter – denn der möchte ich jedes Jahr beweisen, dass ich mich gebessert habe, muss aber jedes Jahr mit einer Enttäuschung leben. Dieses Jahr habe ich es mir leicht gemacht: Möglichst viele quaderförmige Geschenke. Denn Quader lassen sich vergleichsweise leicht verpacken – was kein Quader ist, muss in Bonbon-Form eingewickelt werden. Es gab Zeiten, in denen ich einen starken Bonbon-Überschuss hatte; heuer konnte ich die Bonbon-Quote deutlich reduzieren.

Sodann ging ich an’s Werk: Zurückziehen in mein Zimmer, Tür verriegeln, Weihnachtsmusik auflegen. Und dann tief durchatmen.

Das Problem ist die Ökonomie: Man(n) möchte von dem Papier nichts verschwenden. Und wenn wir dann aber zu viel verwendet haben, stehen wir vor der Aufgabe, wieder etwas weg schneiden zu müssen. Unser Geschenkpapier zeigt viele kleine Nikoläuse; und als ich Santa mit der Schere den Kopf vom Rumpf abtrenne, im Hintergrund John Lennon „War is over…“ nölt, läuft es mir kalt den Rücken runter. Ich fühle mich unchristlich, weiß aber auch, dass ich zur Erreichung meiner Ziele Opfer bringen muss.

Und dann  diese Sache mit den Händen. Wer ein quaderförmiges Geschenk einpackt, muss das Papier ordentlich zusammen halten, die Spannung halten; und während mir in diesem Moment schon der Angstschweiß des Versagens den Rücken runter läuft, stelle ich fest, dass ich noch nicht den Tesafilmstreifen von der Rolle gelöst habe. Also die weit entfernte Rolle mit dem Fuß her angeln, während die Hände die Spannung halten. Dann die Hände gegen das Kinn tauschen, das fortan die Spannung hält, während meine Hände den Tesafilm (der sich dabei freilich verklebt) von der Rolle zu lösen versuchen.

Dabei hab ich sicher wahnsinnig bescheuert ausgesehen.

Liebes Chtristkind: Zu Weihnachten wünsche ich mir einen dritten Arm.

Und dann diese gottverdammten Schleifen. Die sind meine Nemesis. Einfach drum wickeln, zuknoten, zwirbeln, mag sich frau denken. Ich hingegen scheitere immer am Knoten, bei dem ich ebenfalls verzweifelt die Spannung zu halten suche, wieder auf mein Kinn zurück greifen muss. Liebes Christkind, a propos: Vielleicht doch lieber gleich zwei neue Arme. Der Symmetrie wegen.

Als ich bereits total verzweifelt bin, in einem Hafen zerfledderten Geschenkpapiers und verklebter Tesastreifen sitze, tritt er endlich ein: Der Messias. In Form meiner Schwester. Sie lacht; über das Chaos und auch über meinen verzweifelten Blick. Kniet sich nieder, und hilft mir, zumindest die Geschenke der Eltern noch geschickt zu verpacken.

Liebe Frauen dieser Welt, bitte seht es ein: Wir modernen Bobo-Männer haben uns in vielerlei Hinsicht an Euch angepasst. Wir haben kochen und putzen gelernt, kaufen modische Kleidung, gehen regelmäßig zum Frisör. Die meisten von uns waschen sich sogar täglich. Wir haben uns von Euch emanzipiert, weil Ihr es von uns erwartet habt, und weil wir Euch lieben. Aber in Momenten wie diesen wissen wir, dass wir kapitulieren müssen: Am Ende bleiben wir doch die ungehobelten Affen, die von Euch abhängig sind. Danke, dass es Euch gibt.

So, und ich geh mir nun erst mal den Schweiß abduschen, bevor ich in Richtung Christmesse aufbreche.

In dem Sinne: Frohe Weihnachten alle miteinander,

Euer Stefan

baum