Ich war heute auf einer Pressekonferenz der Wiener Linien, bei der es eigentlich um eine Kooperation der städtischen Öffis mit der TU Wien ging. Der Termin fand bei Sonnenschein in einer fahrenden Straßenbahn statt, und wir nahmen uns den Kaffee zum dazu passenden Buffet gleich in die Bim mit (Journalisten haben immer Hunger; deshalb gibt es zu jedem Termin was zu essen und trinken); die Gelegenheit, als ich mit den werten Herren Kaffee schlürfend im Waggon saß, nahm ich zum Anlass, mich mal zu informieren, wie es eigentlich um ein Essverbot in den Wiener Linien steht. Und siehe da: Die Wiener Linien führen derzeit tatsächlich eine groß angelegte Studie durch, haben an 30.000 Jahreskartenbesitzer Fragebögen ausgeschickt, ob sie für oder gegen ein Essverbot in den Öffis sind. Normalerweise bekommt man bei einer schriftlichen Befragung dieser Art maximal zehn Prozent der ausgeschickten Fragebögen ausgefüllt zurück; in diesem Fall waren es aber heiße 50 Prozent – ein Zeichen dafür, wie stark das Thema polarisiert. Auch wenn die Fragebögen noch ausgezählt werden müssen und die Arbeit nun fünf Mal so groß ist, ahnt man bei den Wiener Linien bereits: "50 Prozent der Befragten werden dafür sein, 50 dagegen."
Wieso man denn dann überhaupt eine Umfrage mache, fragt ein älterer Mann, der sonst das ganze Gespräch über geschwiegen hatte. Der nette Herr von den Wiener Linien holte aus, um zu erklären, dass man heutzutage dem Kunden das Gefühl gibt, etwas wert zu sein: "Wissen Sie, vor 30 Jahren hätte man das noch so gemacht, das man keine Marktforschung macht…" – "Vor 30 Jahren gab es auch noch kein Kebap und keine Pizza", wurde er unterbrochen.
Bumm. Auf dem Niveau waren wir also plötzlich gelandet.
Plötzlich hatte sich der ältere Herr nämlich warm geredet und fing an zu schwärmen, wie schlimm das mit dem Essen – konkret mit Pizza und Kebap – sei und das das Essen – besonders Pizza und Kebap – verboten gehören. Das andere Essen, früher, das sei ja nicht so schlimm gewesen, aber Pizza und Kebap, das gehöre wirklich verboten. Man wies ihn freundlich darauf hin, dass er gerade einen Kaffee trinke, mit dem er den Waggon ebenso versauen könne wie mit einer Knoblauchsauce, doch der Mann ließ sich nicht beirren – die Pizzen und Kebaps sollen verschwinden. Und dass die Leute telefonieren, sei auch ganz schlimm. Letztens habe ein junges Mädel die Frechheit besessen, in der Straßenbahn hinter ihm zu telefonieren – "Und als ich ihr gesagt habe, sie soll still sein, hat sie zu mir gesagt: ‚Du Rassist!‘."
Essen ist übriges derzeit nach wie vor in den Wiener Linien erlaubt – wurscht, aus welchem Land es kommt. Wichtig ist nur, dass es die Öffis nicht verdreckt. Und Telefonieren ist auch erlaubt – in jeder Sprache, denn auch Mitmenschen ohne deutsche Muttersprache haben vielleicht gerade einen Notfall, um den sie sich kümmern müssen. Schließlich haben die Wiener Linien viel Geld in die Hand genommen, um zu ermöglichen, dass die Handys auch unterirdisch Empfang haben – dann wäre es wohl ziemlich sinnlos, anschließend Telefonate zu verbieten, gell?
Aber wem gegenüber argumentiere ich hier eigentlich? Manche Leute kommen halt nur auf Pressekonferenzen, um zu essen. Und sich selbst beim Schimpfen zuzuhören.