Stefan Mey

Kaliningrad (1): Kaviar zum Frühstück.

So, Halbzeit. Nach vier Tagen Kaliningrad kann ich nun einen ersten Zwischenstand bekannt geben. Klar ist jedenfalls: kalt ist es hier; und die russische Enklave ist sicher kein Anlaufpunkt für Massentouristen. Aber interessant ist es allemal. Doch fangen wir am Anfang an.

Ganz klassisch meine Ankunft am Flughafen Tegel, Berlin: Koffer weg; Air Berlin hat ihn in Wien gelassen. Begründung: Ich habe zu spät eingecheckt. Resultat: von 9 uhr morgens bis 14 Uhr wartend im Flughafen verbringen, langweilen. Um 14 Uhr schließlich kann ich meinen Koffer beim Zoll abholen, setze mich in den Bus, fahre zum Ku-damm. Dort Rumhängen, Schwester im Hugendubel treffen und ab zum Bahnhof, wo wir in den Zug nach Kaliningrad steigen.

Die Fahrt beginnt um ca. 21 Uhr Berliner Zeit, endet am darauf folgenden Tag um rund 15 Uhr Ortszeit. Der erste Blick in den Zug verrät bereits: hier gibt es einen Hauch von Transsibirischer Eisenahn zu spüren. Alles ist in dunkelblau und silber ausgestattet, am Zimmer gibt es neben zwei Betten einen Sessel, dessen aufklappbare Sitzfläche als Kühlschrank dienen kann und einen Tisch, unter dem sich ein Waschbecken befindet (was für mich aber unnütz war, da ich meine Zahnbürste vergessen hatte). Das Frühstück liegt bereits beim Einsteigen im Zimmer: neben zahlreichen Marmeladen und Schokoriegeln… Kaviar! Überflüssig zu erwähnen, dass ich mich beim Frühstück des nächsten Tages vor allem auf die russische Spezialität konzentrierte, die Fischeier gemeinsam mit Jacobs-Löskaffee genoss.

Nachts war von der Außenwelt freilich wenig zu sehen; einzig auffällig war, dass wir an der deutsch-polnischen Grenze nur wenig Zeit verbrachten (willkommen im Schengen-Raum, geliebte Brüder!). Folglich verbrachten wir den Abend mit Gesprächen.

Da war etwa dieser Berliner Zahnarzt, der ein Forschungslabor in Kaliningrad betreibt. „Denn die haben dort eigentlich sehr gute Forscher“, sagt er: „Und das zu deutlich niedrigeren Preisen als bei uns“. Auf meinen Hinweis, das sei Offshoring im klassischen Sinne, meinte er nur, den Begriff kenne er nicht; aber es sei eben billiger, und darum gehe es. Als echter Zahnarzt hat er natürlich auch brav die Zähne vor’m Schlafengehen geputzt. Ich nicht. Mist.

Außerdem haben wir einen russisch-stämmigen Deutschen kennen gelernt, der an der russisch-chinesischen Grenze geboren wurde, nun aber in Berlin lebt. Der Rest seines Dorfes ist nicht bis nach Berlin gezogen, lebt nun in Kaliningrad. Zu Weihnachten und Silvester besucht er die ganze Meute. In den Gesprächen sagt er auffällig oft „krass, mann“, ist aber ein echt netter Kerl, der mir Videos von seinem Handy zeigt (er hat offensichtlich ein Jamba-Abo) und nachher sogar Bier vorbei bringt. Dann legen wir uns schlafen.

Am morgen: weitere neue Freunde. Während ich an meinem Kaviarbrot knabbere, kommt ein Russe rein und beklagt sich über Kopfweh. „Ja ja, das Wetter“, denke ich. Er: „Ich habe letzte Nacht zu viel gesoffen; sie haben mich zwischen den Abteilen aufgeklaubt und in mein Zimmer geschleppt; dort habe ich auf dem Boden geschlafen“. Dann stellt er uns sein Baby vor. Reizend.

Nun sehen wir auch schon etwas von der Landschaft: keine Berge, alles flach, verfallene Dörfer, grauer Himmel, Kälte, echt deprimierende Stimmung – im Grunde also vergleichbar mit Norddeutschland, bzw. dem Burgenland. Naja.

Weitere Erzählungen werden in den nächsten Tagen folgen. Noch bin ich ja hier; und es passiert ständig etwas neues. Also: stay tuned!

Gelangweilter polnischer Grenzpolizist.

Neben Kaviar gab’s auch viiiiiiel Tee.

Im Zug: ein Hauch von Transsib.

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