Stefan Mey

Schlechte Promotoren.

Nachdem ich monatelang morgens zum Aufstehen Ö1 gehört hatte, habe ich mich heute entschieden, den Sender zu wechseln. Der Grund dafür ist kein inhaltlicher, sondern ein technischer; denn in meiner Erdgeschoßwohnung – umzäunt von Betonmauern angrenzender Altbauten – ist der Empfang des Kultursenders einfach zu schlecht, an wirklich üblen Tagen rufen besonders basslastige Stimmen und laute Fanfaren (bei klassischer Msuik nicht gerade eine Seltenheit) beinahe schon körperliche Schmerzen hervor. Ich drehte also am Rad zur Sendereinstellung und landete beim Gute-Laune-Sender Radio Wien. Das bedeutet: die Nachrichten kurz und knackig, musikalisch Evergreens und leicht zu verdauender Kommerz. Schön.

Auf dem Spaziergang zur U-Bahn-Station Karlsplatz blieb ich vor der Secession an einer roten Ampel stehen und sah Promotrinnen, die eben gerade für meinen neuen Lieblingssender Fruchtsäfte verteilten. „Hui, wunderbar“, dachte ich mir in meiner Naivität: „Tolle Musik, und dazu gleich eine Vitamindröhnung, um den Winter zu bekämpfen“. Doch die netten Damen kamen nicht auf mich zu, also ergriff ich die Initiative und bat freundlich um die Aushändigung eines der Werbeartikel. „Äh, nein, die sind nur für Autofahrer“, kam die verwirrte Antwort. Erst auf meinen flehenden Blick hin kam auch ich in den Genuß von Flyer und Getränk.

Auch bei genauerer Betrachtung des Flyers ist mir nicht klar, weshalb die Zielgruppe auf CO2-Schleudern beschränkt werden soll; denn schließlich geht es bei der aktuellen Aktion des ORF-Senders um die Möglichkeit, ein Haus zu gewinnen. Das dürfen Autofahrer schon, Fußgänger aber nicht? Seltsam. Meine Theorie ist, dass sich ein kluger Kopf in der Marketing-Abteilung ausgedacht hat, dass man an der Ecke Wienzeile/Getreidemarkt gut Autofahrer ansprechen kann – selbständiges Denken vor Ort hat man den Promotorinnen leider nicht nahe gelegt.

Nun denn, mir bleibt wohl nichts anderes übrig: ab morgen höre ich wieder Ö1. Auch mit Fanfaren und Bass. Meine Ohren bedanken sich.

Die mobile Version verlassen