Die Wiener Linien geben sich doch immer wieder Mühe, das U-Bahn-Fahren so unangenehm wie möglich zu gestalten. Während meine Wenigkeit in irgendeiner warmen Sommernacht unter schwerem Alkoholeinfluss proklamierte, dass man das CO2- und Feinstaubproblem einfach in den Griff bekommen könnte, wenn man es einfach auf die Reihe brächte, dass es in den Öffis nicht mehr stinkt (in Folge wäre umweltfreundlicher Transport wieder angenehm, die Leute ließen ihre Autos zuhause stehen und alle wären glücklich); ja, währenddessen tüftelten ein paar kluge Köpfe beim Wiener Transport-Monopol am nächsten Belästigungspaket: überflüssige Ansagen.
Und so kommt es, dass uns bei jeder Station vorgeschrieben wird, auf welcher Seite wir den Stinkeschlauch zu verlassen haben. Erstens nicht gerade kreativ (Berlin hat das seit Jahren), und zweitens überflüssig. Wer so debil ist, das Gleis nicht zu bemerken, auf das er treten möchte, der sollte ohnehin lieber zuhause bleiben. Vorschlag: Warum keine Aussage, welcher Ausgang sich an welchem Teil des Zuges befindet? Also etwa: „Karlsplatz. Ausgang Oper: vorne. Ausgang Karlsplatz: hinten.“? Wäre angesichts der neuen U-Bahnen (jene, die es randalierenden Kiddy-Gangs nun ermöglichen, ihre pubertären Belästigungen auf den gesamten Zug auszudehnen) eine gar nicht so schlechte Idee.
Noch anstrengender freilich: die penetrante Kinderstimme mit der Aufforderung „Bitte lassen Sie Ihre Zeitung nicht im U-Bahn-Zug zurück“. Was hat man sich dabei schon wieder gedacht? Nicht gerade eine Charme-Offensive, ehrlich. Kinder sind niedlich (manchmal), gewiss, aber gerade dieser Tonfall erinnert doch mehr an diese verzogenen kleinen Gören, die ihre Mutter anquängeln mit: „Ich will ein Eis! Ich will, ich will, ich will! Jetzt! Kauf mir ein Eis! Ich WILL es!“. Anstrengend. Und der Wunsch, laut in den Waggon zu brüllen „GUSCH! Halt die Gosch’n, verdreckstes Rotzbalg!“, der überfällt einen jeden Morgen von Neuem. Der erste Amoklauf ist vorprogrammiert.
Ein Blick in die Wiener Zeitung verrät allerdings, was hinter dieser Aktion steckt: „Alleine „Heute“ ergibt einen täglichen Papierberg von 15,4 Tonnen“. 15,4 Tonnen? Um das ein bisschen bildlicher zu transportieren: das ist 308 Mal das Gewicht eines Stefan Mey. Hui. Nicht gerade wenig, und es möchte entsorgt werden. Am Besten eben von jenen Leuten, die die Zeitung gelesen haben; denn schließlich bekommen sie das Ding ja gratis.
Wirklich gratis? Nein, eigentlich nicht. Der Begriff „Gratis-Zeitung“ ist bei „Heute“ und Konsorten nämlich vollkommen fehl am Platz. Besser wäre der Ausdruck „werbefinanziertes Tagesmedium“ – etwas sperrig, das gebe ich zu, aber treffender. Denn „Heute“ wird finanziert durch Anzeigen diverser Konzerne; und dass man im Kapitalismus nichts geschenkt bekommt, das dürfte sich inzwischen rum gesprochen haben. Was machen also die Inserenten? Richtig, sie wälzen die Marketing-Kosten auf die Konsumenten ab. Also auf uns.
Wir zahlen also. Mit jedem Einkauf im Supermarkt, jeder Zahnpasta, jedem Brot. Mit allem. Übrigens auch: mit jedem Fahrschein, den wir kaufen. Und dann soll ich den Dreck auch noch weg räumen? Sehe ich ehrlich gesagt nicht ein. Es wäre also toll, wenn es hier etwas mehr Transparenz gäbe. Wenn also Frau Dichand und ihre Freunde von den Wiener Linien offen und ehrlich zugeben würden: „Okay, wir haben Euch verarscht. Ihr werdet die ganze Zeit gezwungen, für eine Zeitung zu zahlen, die Ihr eigentlich nicht haben wollt. Und wir verdienen uns dumm und dämlich daran. Ach ja: und bitte räumt unseren Mist auch noch weg.“
Ja, toll wäre das.
Vielleicht passiert es auch irgendwann.
Wunder soll es ja hin und wieder geben.